Montag, 16. April 2012

Der Wecker zeigt zwei Uhr an. Ich kann nicht schlafen, wie immer in der Nacht vor dem ersten Schultag nach den Ferien. Von Müdigkeit keine Spur. Seit Stunden wälze ich mich nun schon in meinem Bett hin und her.  Denke über Gott und die Welt nach. Und am allermeisten über Sachen, an die ich gar nicht denken mag. Natürlich, denn so ist es immer wenn man nicht einschlafen kann. Das plötzliche vibrieren meines Handys am Arm lässt mich aufschrecken. Welcher Depp ruft mich bitte um die Uhrzeit an?! Ich schaue auf das Display, kenne die Nummer nicht. Verdammt. Dran gehen oder nicht. Es könnte der Typ aus der Disco sein, dem ich dank seiner Überredungskunst schließlich doch noch meine Nummer überlassen habe. Ich drücke auf den grünen Hörer. Ich hab ja sowieso nichts besseres zu tun. "Hey Kleine, kennst du mich noch?" ,höre ich eine sehr vertraute Stimme am anderen Ende der Leitung. Freude kommt in mir auf, trotz all dem was vorgefallen war. "Klar", antworte ich schnell. "Dann sag meinen Namen", fordert er. "Javier", flüstere ich in mein Handy. Javier, viel zu lange habe ich diesen Namen nicht mehr laut ausgesprochen, viel zu lange war er nicht mehr Teil meines Lebens. "Ada, ich hab scheiße gebaut", fängt er an plötzlich an, "Es tut mir so unglaublich leid, alles was vorgefallen ist, es tut mir leid, dass ich so ein Idiot war, dass ich elf beschissene Monate fast nichts von mir hören gelassen hab. Dass ich dich im Stich gelassen habe, nicht für dich da war und das nur wegen diesem Mädchen. Ich hasse mich selbst dafür, dass ich dich und mich, uns ihretwegen verloren hab. Bitte verzeih mir." Das kam unterwartet. Ich freue mich über seine Worte. Und ich kann einfach nicht anders als ihm zu verzeihen. Obwohl ich immer noch sauer bin, obwohl ich eigentlich nie wieder mit ihm sprechen wollte. Aber wem soll man sonst vergeben, wenn nicht Freunden? Jeder Freund hat eine zweite Chance verdient.  So erzählt er mir von der Welt, in welcher er die letzten elf Monate verbracht hat, in einer Welt in der es als normal erachtet wird wenn man täglich Drogen konsumiert, wo Eltern nicht arbeiten, wo die Kinder keine Perspektiven haben.Eine Welt voller Brutalität und Gewalt, wo es ganz selbstverständlich ist, dass die Polizei wöchentlich vorbeischaut. Und er erzählt mir von ihr. Sie, in die er sich halsüberkopf verliebte. Für die er alles stehen und liegen ließ. Sie, die in dieser schrecklichen Welt aufwuchs. Sie, die so schrecklich eifersüchtig auf mich war, mich gehasst hat oder und es vermutlich immer noch tut. Er erzählt mir, dass er froh ist daraus zu sein, dass er gemerkt hat, dass er sie nicht verändern kann, dass sie gar kein anderes Leben will. Stunden vergehen, es wird drei Uhr, vier Uhr, und wir reden und reden. Wie früher, über alles. Ich erzähle ihm wie es mir die letzten Monate erging. Ich sage ihm, wie froh ich bin endlich meinen alten Javier zurück zu haben.  Er bringt mich genauso viel wie früher zum lachen. Und allgemein verstehen wir uns so, wie als hätte es die vielen Monate Funkstille zwischen uns niemals gegeben. Ich und wahrscheinlich auch er, haben vergessen wie gut wir einander tun. Jetzt erst merke ich, wie sehr er mir fehlte. Die Stunden verstreichen weiter, bis es schließlich Zeit zum Aufstehen für beide von uns ist. Er verabschiedet sich mit den Worten:"Ada du hast dich verändert. Deine Stimme klingt reifer, du bist selbstbewusster, schlagfertiger. Schlaf gut meine Kleine" Und alles ist wieder so wie vor einem Jahr. Jeden Falls fast alles. 

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